Torsten Groß

Deutschlands Automobilindustrie droht ein Desaster

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Der bekannte Wirtschaftswissenschaftler Ferdinand Dudenhöffer hat eine düstere Prognose für die Automobilindustrie abgegeben. Nach Einschätzung des deutschen Hochschulprofessors, der an der Universität St. Gallen lehrt, wird sich die Branche weltweit frühestens im Jahr 2025 von den Nachwirkungen der Corona-Krise erholt haben. Das ist vor allem für die deutsche Volkswirtschaft eine schlechte Nachricht. Denn der Wohlstand unseres Landes ist maßgeblich vom Kraftfahrzeugbau abhängig, der mit 436 Mrd. Euro mehr als ein Fünftel zum Gesamtumsatz des verarbeitenden Gewerbes beisteuert und 836.000 Menschen beschäftigt.

In keinem anderen Land der Welt hat die Autoindustrie einen so großen Anteil an der heimischen Wertschöpfung wie bei uns. Wichtig auch: Etwa zwei Drittel der Einnahmen aus dem Verkauf deutscher Fahrzeuge werden im Ausland generiert. Doch dort wird die Nachfrage infolge des weltweiten Konjunktureinbruchs 2020 deutlich zurückgehen.

131824_markus_Krall_buergerliche_RevolutionDudenhöffer geht davon aus, dass der Autoabsatz in Asien im Vergleich zum Vorjahr von 32 Millionen verkauften Einheiten auf heuer 25,9 Millionen sinkt, ein Minus von über 19 Prozent. Für Nordamerika rechnet Dudenhöffer mit einem Absatzverlust von 4 Millionen Einheiten oder 20 Prozent gemessen an der Stückzahl, die 2019 erreicht wurde.

Und in Europa dürften nach den Berechnungen des Experten 2,8 Millionen Autos weniger abgesetzt werden als noch in 2019 (minus 17,7 Prozent), wobei Westeuropa wegen der schon heute hohen Marktsättigung stärker betroffen sein wird als der Osten des Kontinents, wo es in puncto Mobilität noch Nachholbedarf gibt.

Weltweit wird die Zahl der produzierten Autos im laufenden Jahr gegenüber 2019 um 14,4 Millionen Einheiten auf 65,2 Millionen einbrechen, was einem Rückgang von über 18 Prozent entspricht. Das wäre der niedrigste Stand seit 2011. Noch dramatischer sieht die Prognose für Deutschland aus. Bei uns soll der Ausstoß um 900.000 auf dann nur noch 3.800.000 Fahrzeuge sinken. 100.000 Arbeitsplätze stehen auf der Kippe. Bereits jetzt sind nach Angaben des Verbandes der Automobilindustrie (VDA) 400.000 Beschäftigte in der Branche von Kurzarbeit betroffen. Kein Wunder, dass die Hersteller auf eine möglichst schnelle Wiederaufnahme der Produktion drängen, die in einigen Werken bereits wieder anläuft, wenn auch nur eingeschränkt. Denn die Lieferketten aus dem Ausland sind fragil. Viele Fahrzeugkomponenten z.B. aus Norditalien stehen wegen des Shutdowns und der Ausfuhrbeschränkungen noch nicht wieder zur Verfügung.

Vor allem aber fehlt es an Nachfrage der Käufer. In Erwartung der von Wirtschaftsforschern vorhergesagten schweren Rezession und millionenfacher Arbeitslosigkeit halten sich die Verbraucher mit teuren Neuanschaffungen wie einem Auto verständlicherweise zurück. Im Vorfeld des am heutigen Dienstag stattfindenden Telefongipfels mit Bundeskanzlerin Merkel fordert der VDA deshalb eine vom Staat finanzierte, zeitlich befristete »Neustart-Prämie« als Anreiz, um Konsumenten zum Kauf eines Neuwagens zu motivieren. Insidern zufolge soll diese Prämie nach den Vorstellungen der Branche mindestens 2.500 Euro betragen. Dieser »Sockelbetrag« könne mit zusätzlichen Boni kombiniert werden, um den Absatz umweltfreundlicher Fahrzeuge im Sinne der Klimaschutzziele – zusätzlich zum bereits bestehenden Förderprogramm Elektromobilität (FEM) – zu unterstützen. Auch Jahreswagen sollen in das Prämienmodell einbezogen werden.

Ob sich die Branche mit diesen weitreichenden und für den Steuerzahler kostspieligen Forderungen wird durchsetzen können, bleibt abzuwarten. Eine politische Entscheidung soll heute noch nicht getroffen werden. Kritiker sehen in der Kaufprämie eine ungerechtfertigte Bevorzugung der Autoindustrie gegenüber anderen Branchen, die wirtschaftlich ebenfalls mit dem Rücken zur Wand stehen.

Im Übrigen stellt sich die Frage, ob sich der gewünschte Effekt in der jetzigen Phase tatsächlich einstellen würde. Denn noch ist die Corona-Epidemie nicht ausgestanden, eine zweite oder gar dritte Infektionswelle, wie sie z.B. bei der Spanischen Grippe der Jahre 1918/1919 auftrat, könnte eine erneute Verschärfung des Lockdowns durch die Politik zur Folge haben – ein Szenario, das von den Mainstreammedien gestützt auf die Aussagen des Robert Koch Instituts (RKI) und anderer einschlägig bekannter Virologen jeden Tag aufs Neue an die Wand gemalt wird. So lange diese Unsicherheit besteht, werden auch großzügige Kaufprämien die Konsumenten nicht dazu verleiten, in Scharen in die Autohäuser zu strömen. Notwendig ist eine langfristige Perspektive im Umgang mit dem Virus und ein politisches Konzept, das ein höchstmögliches Maß an Gesundheitsschutz vor allem für die besonders gefährdeten Gruppen der Bevölkerung gewährleistet, ohne dabei die Wirtschaft zu ruinieren. Daran fehlt es in Deutschland auch Monate nach dem Ausbruch der Pandemie bis heute.

Experte Dudenhöffer prognostiziert, dass sich der weltweite Automarkt erst 2025 wieder erholt haben wird. Erst dann könnten die Absatzzahlen des Jahres 2019, dem letzten Jahr von Corona, wieder erreicht bzw. leicht übertroffen werden. Von dieser Entwicklung dürfte Asien überproportional profitieren, weil hier die Motorisierung der Bevölkerung in vielen Ländern deutlicher geringer ist als in den Industriestaaten Nordamerikas und Europas.

Bis diese lange Durststrecke überwunden ist, wird es zu einer Schrumpfung der Branche kommen, um die bestehenden Überkapazitäten abzubauen, die Dudenhöffer auf 25 Prozent beziffert. Unabhängig von der aktuellen Krise wird dieser Strukturwandel zahlreiche gut bezahlte Jobs in der Automobilindustrie kosten, auch bei uns.

Eine zusätzliche Belastung speziell für die deutschen Hersteller resultiert aus der politischen Verteufelung des Dieselmotors und dem aus Gründen des »Klimaschutzes« erzwungenen Umstieg auf elektrisch betriebene Fahrzeuge, deren Produktion deutlich weniger Teile und damit auch Arbeitskräfte insbesondere bei den Zulieferern erfordert.

Der Autobranche stehen also schwere Zeiten ins Haus. Die Maßnahmen zur Bekämpfung der Virus-Pandemie haben die Lage noch einmal deutlich verschärft. Darunter werden hierzulande vor allem solche Bundesländer zu leiden haben, die große Produktionsstandorte beherbergen, etwa Niedersachsen mit VW in Wolfsburg, Nordrhein-Westfalen (Ford), Baden-Württemberg (Daimler-Benz, Porsche) und Bayern (BMW, Audi).

Ganze Regionen, in denen der Automobilbau wirtschaftlicher Taktgeber ist, droht der Niedergang, wenn dort in größerem Maßstab Jobs und damit Kaufkraft verloren gehen. Dafür verantwortlich sind Fehlentscheidungen der Politik, die nicht nur in der Corona-Krise, sondern schon zuvor getroffen worden sind!

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Dienstag, 05.05.2020